Wie eine mobile Infrastruktur die Reallaborarbeit unterstützt
xx.02.2024 – Auf der Suche nach einer geeigneten Plattform für den Austausch von Wissenschaft und Gesellschaft entwickelten Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie ein mobiles Partizipationslabor, das MobiLab. Seit knapp zwei Jahren ist das MobiLab schon im Einsatz – in Karlsruhe und auch darüber hinaus. Nun wurde das Labor auf Rädern erstmals von Susanne Ober im Rahmen ihrer Masterarbeit erforscht. Sie wollte herausfinden, ob und wie die mobile Infrastruktur die transdisziplinäre, transformative und Reallaborforschung unterstützen kann und welche Methoden sich dafür eignen.
Die Bauweise des MobiLabs ähnelt zunächst einem Tiny House und ist in seiner Art ein absolutes Novum. Die Idee für das bewegliche Labor geht auf die Erfahrungen des Karlsruher Reallabors „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ zurück, das seit 2012 eine nachhaltige Stadtentwicklung mitgestaltet und erforscht.
Ein stationäres Reallabor als Vorbild
„Unser Forschungsansatz im Reallabor ist transdisziplinär. Das bedeutet, die aktive Einbindung von zivilgesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteuren in die Wissenschaft ist für uns elementar. Zudem zielt unser transformativer Ansatz darauf ab, Veränderungen in der Gesellschaft in Richtung Nachhaltige Entwicklung zu fördern“, so Susanne Ober. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel. „Da der Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern für unsere Forschung im Bereich der Nachhaltigkeit sehr wichtig ist, entstand 2021 die Idee, mit einem mobilen Begegnungsraum noch mehr Menschen zu erreichen. Dies ermöglicht uns mehr Interaktion und Dialog im Stadtraum, auf dem Campusgelände und auf öffentlichen Plätzen.“
Reallaborforschung mitten in der Gesellschaft
Wie kann die Wissenschaft noch mehr Menschen erreichen? Kann ein mobiles Partizipationslabor den Dialog unterstützen? Und welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig? Ober hat auf der Suche nach Antworten viel Zeit am und im MobiLab verbracht und auch Zeit mit den Menschen, die das MobiLab besucht haben.
„Das Besondere am MobiLab“, so beschreibt es die Wissenschaftlerin, „liegt darin, dass wir im Einsatz sehr flexibel sind. Wir können dort hingehen, wo die Menschen sind. Durch das auffällige Design ist das MobiLab schon von weitem sichtbar. Mit den gelben Schirmen, der offenen Terrasse und der Glasfront bildet es zudem eine einladende Atmosphäre. Das MobiLab bietet also einen Austauschraum in der Öffentlichkeit, den Menschen einerseits ganz gezielt ansteuern können, wenn sie uns schon kennen. Zugleich weckt es auch Neugierde und lockt Laufkundschaft an. So erreichen wir eine Vielzahl an Menschen und das MobiLab trägt gut zu unserer Forschung am KIT bei.“
Das Partizipationslabor wird erforscht
Je nach Einsatz verbleibt das MobiLab einen Tag oder mehrere Tage an einem Ort. Das Forschungsteam, das den Einsatz begleitet, erstellt vorab ein Rahmenprogramm aus Workshops, Vorträgen und Mitmach-Aktivitäten. Die Veranstaltungen finden im oder um das MobiLab herum statt und sind für alle Interessierten geöffnet. Für ihre Masterarbeit beforschte Ober acht Einsätze, um herauszufinden wie das MobiLab die transdisziplinäre, transformative und Reallaborforschung unterstützt und welche Methoden hierfür besonders geeignet sind. Die Einsäte fanden im Frühjahr und Sommer 2022 statt:
- Frühlingstage der Nachhaltigkeit am KIT, 28.03.-31.03.2022
- European Technology Assessment Boards, 11.05.2022
- Grötzingen, 13.05.-20.05.2022
- Reallabortagung "Nachhaltig wirken", Karlsruhe, 31.05.-4.6.2022
- Waldstadtzentrum Karlsruhe, 27.06.-4.7.2022
- Besuch des Advisory Boards der Helmholtz-Gemeinschaft, 6.7.-8.7.2022
- KIT im Rathaus Karlsruhe, 18.7.-19.7.2022
- Karlsruher Tage der Demokratie, 14.9.-17.9.2022
Vor Ort führte sie Interviews, erhob Fragebögen und schrieb Feldnotizen. Dabei beobachte sie in der ersten Phase von März bis Juli 2022 die Vorgänge, um ausgehend von den Erkenntnissen in der zweiten Phase ins Ausprobieren und Experimentieren zu kommen.
„Einen geeigneten Forschungsansatz für meine Arbeit zu finden, war anfangs gar nicht so einfach“, erinnert sie sich. „So etwas wie das MobiLab gab es damals kaum. Etwas orientieren konnte ich mich an dem „Tiny FOP MOB“ vom Center for Advanced Studies von Eurac Research in Bozen. Auch wenn es herausfordernd war, etwas zu erforschen, über das es wenig Literatur und Veröffentlichungen gibt, war es zeitgleich auch aufregend und spannend in etwas Neues einzutauchen. Und ich hatte einfach richtig Lust darauf, nach meinem Studium, das größtenteils theoretisch war und online stattfand, in die praktische Reallaborarbeit einzusteigen.“
Fazit: Wie das MobiLab zur transdisziplinären, transformativen und Reallaborforschung beiträgt
Das MobiLab unterstützt transdisziplinäre und transformative Prozesse, indem es einen Ort der Begegnung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit schafft und Experimentierräume eröffnet. Die Aktivitäten rund um das MobiLab machen Menschen neugierig und ermöglichen den Austausch auf persönlicher Ebene. Methodisch eignen sich besonders Formate, die Aufmerksamkeit erregen, niederschwellig sind und eine individuelle Vertiefung des Nachhaltigkeitsthemas erlauben, um Menschen mit unterschiedlichen Wissensständen zu begegnen. Die Vorbereitung und Durchführung der Einsätze ist jedoch für das Team zeitintensiv und aufwändig. Zudem hängt der Erfolg eines Einsatzes stark vom Wetter und vom Standort ab. Die Masterarbeit von Susanne Ober hat zur Reflexion und Evaluation der MobiLab-Einsätze beigetragen. Perspektivisch soll ein Vergleich mit anderen mobilen Infrastrukturen für die partizipative Forschung angefertigt werden.
„Für meine Masterarbeit habe ich mich intensiv mit dem MobiLab und der Reallaborforschung im öffentlichen Raum auseinandergesetzt. Ich habe Einsätze vorbereitet und vor Ort begleitet, Gespräche geführt und ausgewertet. Dadurch habe ich viel gelernt, auch außerhalb der wissenschaftlichen Expertise. Ich freue mich, diese Impulse nun am Karlsruher Transformationszentrum weiterzugeben,“ so Ober abschließend.
Mobile Plattformen für Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation
Das Konzept des mobilen Labors hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen. So hat sich im Sommer 2023 eine lose Gruppe von „mobilen Stadtlaboren“ gegründet, mit Teilnehmenden aus Berlin, Köln, Kiel, Aschaffenburg und eben Karlsruhe. Zwar hat jedes Projekt einen anderen Fokus und individuelle Ziele, dennoch tauscht sich die Gruppe bei regelmäßigen Treffen aus, um voneinander zu lernen und um neue Wege der Bürgerpartizipation zu erkunden.
Das MobiLab wurde unter Federführung des KIT-Zentrums Mensch und Technik (MuT) und des Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT) am ITAS in Kooperation mit einer Reihe weiterer Partnereinrichtungen realisiert. Die Nutzung koordinieren MuT und KAT gemeinsam. Finanziert wurde der Bau aus Mitteln der KIT Exzellenzinitiative „Living the Change“.
Susanne Ober ist Nachhaltigkeitswissenschaftlerin mit einem Schwerpunkt auf transdisziplinäre und partizipative Nachhaltigkeitsforschung. Sie hat in dem Reallabor Wissensdialog Nordschwarzwald mitgewirkt und arbeitet nun als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel am KIT.